Wir sind es gewohnt, Suchmaschinen als einfache Werkzeuge zu betrachten, als neutrale Portale für den Zugang zur riesigen Welt der Online-Informationen. Die Realität ist jedoch viel komplexer und vielschichtiger. Die europäische Initiative derÖffnen Sie den Webindex (geplant für Juni 2025) resultiert nicht nur aus Bedenken hinsichtlich der Qualität der von Google oder Bing angebotenen Ergebnisse, sondern ist Teil eines umfassenderen Projekts strategischer Autonomie des Kontinents.
Die digitale Infrastruktur ist heute vergleichbar mit dem, was einst Eisenbahnen oder Stromnetze waren: Sie ist ein wesentliches Element nationaler Souveränität und wirtschaftlicher Sicherheit. Wenn ein ganzer Kontinent von Technologien abhängig ist, die anderswo entwickelt und kontrolliert werden, gehen die Folgen weit über den Ärger hinaus, zu viel Werbung in den Suchergebnissen zu finden.
Es geht dabei um die Fähigkeit Europas, seine wirtschaftlichen Interessen zu schützen, die technologische Entwicklung im Sinne seiner Werte zu beeinflussen und sicherzustellen, dass der Informationsfluss demokratisch festgelegten Standards folgt und nicht den proprietären Algorithmen amerikanischer Unternehmen. Wir haben es schon seit einiger Zeit vorausgesehen: Die wirtschaftlichen und geopolitischen Gleichgewichte werden am Ende das Internet in Stücke brechen die viel größere Schwierigkeiten haben werden, miteinander zu kommunizieren: Der Traum vom „globalen Dorf“ ist vorerst ausgeträumt.
Nicht nur Qualität, sondern Kontrolle und Werte
Das Open Web Index-Projekt, unterstützt von einer Konsortium, das Universitäten, Forschungszentren wie CERN und Technologieunternehmen umfasstzielt nicht darauf ab, eine Suchmaschine zu erstellen, sondern etwas Grundlegenderes: einen für alle zugänglichen Index des Webs, ähnlich einer digitalen Bibliothek, aus der alternative Dienste erstellt werden können. Während kleine Suchmaschinen heute noch auf die Dienste amerikanischer Giganten angewiesen sind, könnten morgen echte europäische Lösungen entstehen, die auf die Sprachen, Kulturen und Vorschriften des Kontinents abgestimmt sind.
Dieser Ansatz eröffnet interessante Szenarien nicht nur für die Marktdiversifizierung, sondern auch für die Darstellung von Informationen nach unterschiedlichen Sensitivitäten. Eine Suchmaschine, die auf europäischen Werten basiert, könnte dem Datenschutz Vorrang vor der Profilerstellung durch Werbung einräumen oder für eine größere Sichtbarkeit von Inhalten in anderen Sprachen als Englisch sorgen, die derzeit im globalen digitalen Ökosystem stark unterrepräsentiert sind.

Chancen und Risiken eines fragmentierten Webs
Die Folgen dieser Initiative könnten tiefgreifend sein und sind nicht alle vorhersehbar. Auf einer SeiteDer Wettbewerb könnte Innovationen anregen und die Dienste für alle Benutzer verbessern, auch für Google und Bing. Auf dem anderenbesteht die Gefahr einer Fragmentierung des Webs mit zunehmend getrennten und undurchlässigen Ökosystemen, wie dies teilweise bereits bei den Laufnetz russischen Ursprungs oder mit China und seiner „Großen Firewall“.
Wie wir uns in diesem Artikel erzählten, der die Hypothese aufstellte ein Szenario, in dem Google abschaltet, die Abhängigkeit von einzelnen Plattformen schafft systemische Schwachstellen. Ein stärker verteiltes und widerstandsfähigeres Internet könnte stabiler sein, für Endbenutzer könnte die Navigation jedoch auch komplexer sein.
Open Web Index: Der lange Weg zur Autonomie
Der erste Test des Open Web Index wird ein Petabyte an Inhalten liefern (etwa ein Fünftel des Endziels), was im Vergleich zu den Indizes der amerikanischen Giganten immer noch eine begrenzte Menge ist. Der Weg zu einer echten Alternative ist lang und mit technischen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen gepflastert.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob Europa in der Lage sein wird, eine technische Infrastruktur aufzubauen, die dieser Aufgabe gewachsen ist, sondern ob es gelingt, diese in attraktive und nützliche Dienste für die Endnutzer umzusetzen. Die Geschichte ist voll von technisch gültigen Projekten, die jedoch kein ausreichendes Publikum anziehen konnten, vom Experiment Quaero zu vielen anderen europäischen Initiativen im digitalen Bereich.
Die Ernennung am 6. Juni markiert nur den Anfang eines langen Spiels. Ein Spiel, bei dem Europa nicht nur versucht, das Online-Sucherlebnis zu verbessern, sondern auch seinen Platz in einer digitalen Welt neu definiert, die bislang von nicht-europäischen Regeln und Akteuren dominiert wurde. Ein Spiel, bei dem es – ob gut oder schlecht – nicht nur um Google geht, sondern um die Gestaltung unserer digitalen Zukunft.